In meinen vorherigen Blog-Posts habe ich mehrmals fallen lassen, dass ich gerne nach dem Save-the-Cat!‑Prinzip meine Bücher plane (oder es zumindest versuche). Im Folgenden möchte ich einmal erklären, was es eigentlich damit auf sich hat – und warum ich denke, dass dies ein unschlagbares Gerüst ist, mit dessen Hilfe man packende und unvergessliche Geschichten erschaffen kann.
Eins vorweg: Kein Autor ist dazu angehalten, sich an irgendwelche Plot-Gerüste oder Vorgaben zu halten. Ich kenne viele, die dies rigoros ablehnen und sich nicht in ein Korsett schnüren wollen, das ihnen ihrer künstlerischen Freiheit beraubt. Aber das ist ja gerade das Geniale an gut ausgeklügelten Plothilfen: Sie rauben einem gar nichts. Wenn richtig gemacht und verwendet, geben sie einem Autor maximale Freiheit und helfen gleichzeitig, die Auswüchse einer Geschichte im Zaum zu halten. Es gibt unzählige dieser Anleitungen, mal mehr, mal weniger streng, aber gerade die Save-the-Cat!‑Anleitung ist etwas, das mir persönlich besonders zusagt.
Warum überhaupt ein Schema, eine Struktur, ein Gerüst? Weil wir Menschen kulturell tief in gewissen Erzählstrukturen verankert sind. Das fängt bei der Bibel an, geht über orale Traditionen bis zum neuesten Spiegel-Bestseller. Wir erwarten einfach, dass bestimmte Bedingungen innerhalb einer Geschichte erfüllt werden, damit wir als Konsumenten ein befriedigendes Lese- oder Seherlebnis haben.
Der Ursprung von Save the Cat! stammt aus dem Drehbuchmilieu. Der amerikanische Drehbuchautor Blake Snyder veröffentlichte 2005 ein gleichnamiges Buch (Save the Cat! The Last Book on Screenwriting You’ll Ever Need), in dem er seine Beobachtungen aus Hollywood zu einem klar strukturierten, 15‑teiligen Beat Sheet zusammenfasste. Wer einmal einen Blick auf die Save the Cat!‑Webseite wirft, findet dort eine ganze Reihe von Filmanalysen, die die einzelnen „Beats“ innerhalb der Struktur verorten. Es wird also deutlich: Das System wird angewendet – und wo es angewendet wird, da wird es oftmals auch erwartet.
Wenn wir heute einen Film anschauen, dann erwarten wir, dass er einen Anfang hat, einen Mittelteil mit einer Art dramaturgischem Höhepunkt, und dann ein befriedigendes Ende. Es sei denn, wir sprechen von völlig abgehobener Kunst, die ihre eigenen Wege beschreitet – aber das ist etwas, das ich für meine Arbeit nicht beanspruche.
Die US-amerikanische Autorin Jessica Brody hat die Prinzipien des Drehbuchschreibens in ihrem Buch Save the Cat! Writes a Novel auf die Technik des Romanschreibens übertragen – und anhand zahlreicher Beispiele eindrucksvoll verdeutlicht. Dabei geht es um zwei wesentliche Komponenten: den Helden und die Geschichte selbst.
Der Held muss immer ein Problem haben – ansonsten hat er keinen Grund, der Held der Geschichte zu sein (wobei der Begriff Held natürlich nicht heroisch, sondern als Hauptfigur zu verstehen ist). Es geht also darum, was er glaubt, was er erreichen muss – und was es wirklich braucht, um dieses Ziel zu erreichen. Das sind zwei Paar Schuhe, die der Held erst im Laufe der Geschichte lernen wird, miteinander zu vereinen. Erst wenn er das erkennt (etwa zur Mitte der Geschichte), kann er das Problem wirklich angehen und sein Ziel auf richtige Weise verfolgen.
Die Geschichte selbst ist in die typische Drei-Akt-Struktur unterteilt, innerhalb derer bestimmte „Beats“ vordefiniert sind. Beats sind Wendepunkte oder Entwicklungsschritte, ohne die eine Geschichte nur schwer rund oder überzeugend wirkt. Jede Geschichte braucht zum Beispiel eine Einleitung, in der alle wesentlichen Bestandteile der Welt und der Figuren eingeführt werden – das ist Akt I.
Akt II ist dann der Mittelteil, im Wesentlichen das, worauf der Leser inhaltlich gewartet hat: die „umgedrehte Welt“, in der alles anders ist. Hier macht sich der Held auf den Weg, um sein Problem zu lösen – zunächst jedoch auf falschem Weg, weil er erst noch lernen muss, was es wirklich braucht, um erfolgreich zu sein. Erst nach dem sogenannten „Midpoint“ geschieht dieser Wandel. Danach tritt auch eine klare Gegenkraft auf den Plan – das kann ein klassischer Antagonist sein, aber auch ein innerer Konflikt oder eine feindliche Welt.
Dies kulminiert am Ende von Akt II mit einem Tiefpunkt, in dem alles verloren scheint – oft verbunden mit einem symbolischen oder tatsächlichen Tod. Der Held muss sich sammeln, neue Kraft schöpfen, und hat nun endlich verstanden, was es wirklich braucht, um sein Ziel zu erreichen. Dann beginnt Akt III, also das Finale – oft mit einer Rückkehr in die Welt des Anfangs, allerdings mit veränderten Voraussetzungen.
Auch das Finale ist wiederum fein säuberlich in Beats unterteilt, um sicherzustellen, dass der Plan des Helden nicht sofort aufgeht. Erst muss er eine letzte große Hürde überwinden – und dann kann die Geschichte zu einem befriedigenden Abschluss kommen.
Dieses Skelett ist unglaublich kraftvoll, weil es dem Leser die Möglichkeit gibt, anhand des Wandels der Hauptfigur etwas zu lernen – nicht nur über sie, sondern vielleicht auch über sich selbst.
Ich jedenfalls arbeite wahnsinnig gern mit diesem Schema und habe seit meinen Anfängen eine Menge darüber gelernt, wie man Heldenentwicklungen und Spannungskurven ausformuliert.
Save the Cat! von Jessica Brody ist derzeit nur auf Englisch erhältlich (im Gegensatz zur Drehbuchversion, die sich größtenteils mit dem von Brody deckt, aber die Beispiele anhand bekannter Romane vermissen lässt).
Wie sieht es mit euch aus? Nutzt ihr auch Save the Cat! oder ein anderes Plotsystem?
P.S.: Wer sich fragt, warum das Konzept so heißt, wie es heißt: Der Begriff stammt von einem Tipp Snyders, wie man einem Protagonisten früh im Film Sympathiepunkte geben kann – indem er zum Beispiel eine Katze rettet. Umgekehrt gilt: Wenn man einem Antagonisten möglichst unsympathisch machen will, lässt man ihn einer Katze (oder einem kleinen Hund, siehe Herzog Ernst in „Das Vermächtnis der Agnes Bernauer“) etwas antun.