Zwischen Kinderwunsch und Lebensplan
Es passiert selten, aber wenn es passiert, dann bleibt es mir lange im Gedächtnis: Ich entdecke ein Buch, das mich tief berührt – so sehr, dass ich danach automatisch zu weiteren Werken derselben Autorin greife. Nicht immer erfüllen sie die hohen Erwartungen. Aber sie enttäuschen auch nicht. Sie sind einfach – anders. Und trotzdem bin ich dankbar, sie gelesen zu haben.
So ging es mir mit Kristin Hannah. Ich liebe ihren historischen Roman „Die Nachtigall“, der die Geschichte zweier ungleicher Schwestern im besetzten Frankreich erzählt. Für mich ein absolutes Herzensbuch. Andere ihrer Romane hingegen konnten mich nicht in gleicher Weise packen. „Winterschwestern“ und „Die Mädchen aus der Firefly Lane“ (toll verfilmt in der ersten Staffel der Netflix-Serie Firefly Lane mit Katherine Heigl) zähle ich eher zur schwächeren Kategorie. Dafür gehören „Die Frauen jenseits des Flusses“, „Die vier Winde“ und „Liebe und Verderben“ zu den Highlights in ihrem Werk. Und so greife ich immer wieder zu einem neuen Buch von ihr – in der Hoffnung, wieder so getroffen zu werden wie damals bei Die Nachtigall.
In „Die Dinge, die wir aus Liebe tun“ (The Things We Do for Love, Original: 2004), begegnen wir zwei Frauen, deren Leben sich auf sehr unterschiedliche Weise um ein zentrales Thema drehen: Mutterschaft – gewünscht und ungeplant.
Angie Malone, Anfang vierzig, ist eine Frau mit gebrochenem Herzen. Nach mehreren gescheiterten IVF-Versuchen, dem Tod ihres zu früh geborenen Kindes und einer Adoption, die in letzter Minute platzt, kehrt sie traumatisiert in ihre Heimatstadt zurück. Dort findet sie Zuflucht in ihrer lautstarken, liebevollen und kinderreichen italienischstämmigen Familie – und übernimmt widerwillig Aufgaben im familieneigenen, etwas angestaubten Restaurant.
Lauren Ribido ist das Gegenteil: jung, intelligent, ehrgeizig – und ungewollt schwanger. Dabei steht ihr eigentlich ein glänzender Start bevor: Die Highschool-Absolventin hat ein Stipendium an einer renommierten Uni fast sicher. Ihre Mutter? Völlig desillusioniert: selbst einst Teenie-Mutter, ohne nennenswerte Perspektiven, lässt sie ihre Tochter spüren, dass sie auf sich allein gestellt ist. Laurens Freund bemüht sich zwar, aber er ist selbst kaum mehr als ein Kind.
Als sich die Wege von Angie und Lauren kreuzen, scheint es fast wie Schicksal. Die eine sehnt sich verzweifelt nach einem Kind. Die andere fühlt sich überfordert und alleingelassen. Ein emotionales Arrangement bahnt sich an – aber nichts daran ist einfach.
Kristin Hannah nimmt sich viel Zeit, die inneren Konflikte ihrer Figuren auszuleuchten. Sehr viel Zeit. Manchmal zu viel. Zweifel, Reue, Hoffnung, neue Zweifel – dieser Zyklus wiederholt sich über viele Kapitel hinweg. Ich habe es stellenweise als ermüdend empfunden. Denn letztlich liegt die Lösung auf der Hand, und es wirkt bisweilen konstruiert, dass die Figuren sie nicht früher erkennen.
Gleichzeitig überzeugt der Roman mit psychologischer Tiefe. Besonders Angie ist vielschichtig angelegt: ihr Schmerz, ihr Bedürfnis nach Kontrolle, ihre Versuche, ihr altes Leben hinter sich zu lassen – all das wirkt authentisch. Auch Lauren ist keine Klischee-Figur, sondern trägt ihre Ambivalenz mit Würde und Verletzlichkeit.
Einige Aspekte des Romans sind nicht Kristin Hannahs „Schuld“, aber aus europäischer Perspektive schwer nachvollziehbar. Dass eine junge Frau ein Stipendium braucht, um überhaupt studieren zu können. Dass ein Teenagerjob über die Miete entscheidet. Dass Kellnerinnen von Trinkgeldern leben müssen. Es sind typische US-amerikanische Realitäten, die für LeserInnen hierzulande oft wie aus einer anderen Welt wirken.
„Die Dinge, die wir aus Liebe tun“ ist ein gefühlvoll erzählter Roman über Verlust, Hoffnung, Verantwortung – und die Kraft der Wahlfamilie. Die Geschichte klingt nach, auch wenn sie nicht immer überrascht. Wer sich auf das langsame Tempo und die innere Zerrissenheit der Figuren einlässt, wird mit einer berührenden Geschichte belohnt.
Titel: Die Dinge, die wir aus Liebe tun (The Things We Do for Love)
Autorin: Kristin Hannah
Übersetzung: Gabriele Weber-Jarić
Verlag: Aufbau Taschenbuch, 2019
Originalausgabe: 2004
P.S.: Buch selbst gekauft, Meinung meine eigene.