Buchbesprechung: James

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Ein moderner Klassiker über Würde und Widerstand

Rezension: James von Percival Everett
Erschienen 2024 im Carl Hanser Verlag (deutsche Ausgabe)
Originaltitel: James, 2024, Doubleday (USA)
Pulitzer-Preis 2024 (Fiction)

Eine meiner Taktiken bei der Wahl meiner nächsten Lektüre ist recht simpel: Ich schaue, welche Bücher auf Amazon fünfstellige Bewertungen mit hohen Durchschnittswerten haben. Meistens sind das Titel amerikanischer Autor:innen – was mich nicht stört. Wenn Genre und Thema mich ansprechen und vielleicht noch ein Siegel wie „New York Times Bestseller“ oder „Pulitzer Prize Winner“ dazukommt, greife ich gerne zu.

So auch beim Roman James von Percival Everett, der 2024 mit dem Pulitzer-Preis für Belletristik ausgezeichnet wurde.

Man sollte bedenken: Bücher, die in den USA große Preise gewinnen, greifen oft Themen auf, die speziell für das amerikanische Publikum besonders relevant sind. Trotzdem sind sie meist äußerst gut lesbar (kleiner Seitenblick auf den Deutschen Buchpreis…). So auch James, ein Roman über einen Sklaven in den Südstaaten – und zugleich eine literarische Antwort auf Mark Twains Huckleberry Finn.

Ich selbst bin mit der Geschichte rund um Tom Sawyer und Huck Finn nicht besonders vertraut – was beim Lesen aber kein Nachteil war. Im Mittelpunkt steht hier Jim, der Sklave, der in Twains Originalgeschichte eher eine Nebenfigur ist. In Everetts Roman bekommt er endlich seine Stimme – und was für eine!

Jim soll von seiner Plantage in Missouri nach New Orleans verkauft werden, weg von seiner Frau und seiner kleinen Tochter. Das will er nicht hinnehmen – und flieht. Unterwegs trifft er auf Huckleberry Finn, und gemeinsam schlagen sie sich den Mississippi hinunter durch eine feindselige, zutiefst rassistische Welt. Dass es ausgerechnet nach Süden geht, wirkt auf den ersten Blick kontraintuitiv – macht aber im Kontext des Romans Sinn.

Was die Geschichte besonders macht: Jim ist klug. Viel klüger, als es die Weißen in seiner Umgebung vermuten. Das zeigt sich besonders dann, wenn er unter Schwarzen spricht – denn dann wechselt er vom „rassentypischen“ Soziolekt, wie er ihn in Gegenwart der Weißen verwendet, zu einem klaren, differenzierten Englisch. Ein sprachlicher Kniff, mit dem Everett brillant zeigt: Die Schwarzen dieser Welt sind oft intelligenter als ihre Herren – und müssen diese Tatsache verstecken, um zu überleben.

Als Leserin war ich sofort auf Jims Seite – und habe mich diebisch gefreut über seine stille Überlegenheit. Auch vor Huck verbirgt Jim sein wahres Ich. Die beiden freunden sich an, helfen einander – bis sie sich schließlich verlieren und Jim allein weiterziehen muss.

Wird er es schaffen, in den Norden zu gelangen, wo Freiheit winkt? Wird er genug Geld auftreiben können, um seine Familie freizukaufen? Während er kämpft, kündigt sich bereits der nächste Umbruch an: Der Bürgerkrieg liegt in der Luft.

Ja, das alles klingt wie eine klassische Heldenreise – und ist doch so viel mehr. James konfrontiert uns mit einer Welt, in der Menschenhandel, Gewalt und systematische Unterdrückung zum Alltag gehörten. Und das Erschütternde ist: Für die damalige Gesellschaft war das völlig normal.

Diese Normalität ist schwer auszuhalten – gerade deshalb bleibt der Roman so lange im Gedächtnis. Denn Jim ist nicht einfach nur Jim. Er ist James. Und das macht den Unterschied.

Fazit:
Ein kluger, bewegender, teilweise sogar überraschend humorvoller Roman über Identität, Würde und Überleben. Für mich eine ganz klare Leseempfehlung!

📖 P.S.: Ich habe das Buch im englischen Original gelesen. Die wörtliche Rede ist anfangs schwer verständlich, weil Everett mit Dialekten arbeitet – aber man kommt gut rein. Ich bin gespannt, wie das in der deutschen Übersetzung gelöst wurde.

📚 P.P.S.: Ich bekomme weder Geld noch Leseexemplare für diese Besprechung – ich teile hier einfach meine ehrliche Meinung.

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