Kindheit in der Hölle – Stephen Kings düstere Fantasie im „Institut“
Ich bin mit Stephen King großgeworden und habe als Pre-Teen so ziemlich alles verschlungen, was er bis dahin veröffentlicht hatte – inklusive der Bücher unter seinen Pseudonymen wie Richard Bachman. Seitdem sind gefühlt noch fünfzig weitere Romane hinzugekommen, da musste ich irgendwann einfach kapitulieren. Mein absoluter Lieblings-King bleibt Friedhof der Kuscheltiere – vor allem, weil die Geschichte so stimmig ist. Das ist bei King nicht selbstverständlich. Als Bauchschreiber, der offenbar lossprintet, sobald ihn eine Idee packt, ist er berüchtigt für schwächelnde Enden. Man denke an den esoterischen Abschluss von The Stand oder das zerfaserte Finale von Es. Trotzdem: Der Weg dorthin ist fast immer unterhaltsam.
Das Institut sprang mir ins Auge, weil ich es in Literaturkreisen immer wieder erwähnt fand – und zwar mit überraschend viel Lob. Ich war neugierig und stürzte mich ohne Klappentext ins Abenteuer. Kurz gesagt: Im titelgebenden Institut werden Kinder mit übernatürlichen Fähigkeiten wie Telekinese oder Telepathie festgehalten und für militärische Zwecke ausgebeutet. Die Methoden sind brutal, die Folgen verheerend – viele dieser Kinder enden als apathische Hüllen ihrer selbst. Jahrzehntelang bleibt das verborgen – bis ein neuer Junge eingewiesen wird: hochintelligent, mutig, und entschlossen, zu entkommen.
So weit, so King. Besonders spannend ist der Einstieg: Statt direkt ins Institut einzutauchen, begleitet man zunächst über etliche Kapitel einen Ex-Polizisten, der auf verschlungenen Pfaden in einer Kleinstadt landet und dort als Nachtwächter arbeitet. Erst danach erfolgt der abrupte Szenenwechsel zum Institut – ein erzählerischer Bruch, den sich vermutlich nur Stephen King leisten kann. Ich wüsste gern, wie viele Leser:innen das erste Kapitel beim zweiten Drittel des Buches bereits vergessen hatten. Vielleicht ist das genau so gewollt.
Im weiteren Verlauf verläuft alles recht erwartbar – was schade ist. Die Geschichte nimmt ihren typischen Lauf: Flucht, Widerstand, Explosionen, Opfer. Auch Figuren, die einem ans Herz gewachsen sind, überleben nicht. Trotzdem fehlten mir überraschende Wendungen oder erzählerische Risiken. Das Institut liest sich streckenweise wie ein Echo früherer Werke (Firestarter, Carrie, Die Arena) – solide, spannend, aber nicht bahnbrechend.
Und doch bleibt der Roman lesenswert. Vielleicht, weil King hier nochmal Kind sein wollte – oder zumindest nachfühlen, wie sich Kindheit in Extremsituationen anfühlen könnte. Inmitten von Gewalt, Überwachung und Manipulation steht das, was King oft am besten kann: eine düstere Coming-of-Age-Erzählung mit großem Herzen.
Fazit: Unterhaltsam, düster, typisch King – mit erzählerischen Längen und einem klaren Ende, das erfreulich rund ist. Kein Meisterwerk, aber ein solider Beitrag im King-Kanon.
Titel: Das Institut
Autor: Stephen King
Verlag: Heyne Verlag, 2019
Originaltitel: The Institute
Übersetzung: Bernhard Kleinschmidt
P.S.: Keine Werbung – ich teile einfach nur meine ehrliche Meinung.