Autor

SilkeElzner

Dunkle Wälder, dunkle Geheimnisse

Buchbesprechung: Der Gott des Waldes – Liz Moore

Ich liebe Geschichten, in denen ein mysteriöser Kriminalfall immer weitere, dunkle Kreise zieht – wo der erste Mord nur der Auftakt ist und sich bald zeigt, dass alles mit einem viel älteren, ungelösten Verbrechen zusammenhängt. Deshalb konnte ich auch nicht widerstehen, als ich den Klappentext von Der Gott des Waldes gelesen habe, dem neuen Roman von Liz Moore.

Das Setting hat mich sofort gepackt: Die Geschichte spielt auf mehreren Zeitebenen – vorrangig in den 1970er-Jahren, aber auch in der Gegenwart und in Rückblicken auf die 1950er. Erzählt wird sie aus wechselnden Perspektiven, was zu Beginn etwas fordernd sein kann, sich aber schnell auszahlt.

Im Mittelpunkt steht das Verschwinden der 14-jährigen Barbara aus einem abgelegenen Sommercamp in den Wäldern Neuenglands. Diese Wälder werden als dicht, geheimnisvoll und gefährlich beschrieben – die Atmosphäre ist beinahe greifbar. Noch beunruhigender ist, dass ein Serienmörder gerade erst aus dem Gefängnis ausgebrochen ist, ganz in der Nähe. Doch schnell zeigt sich: Barbaras Verschwinden ist nicht der erste Fall in ihrer Familie. Bereits Jahre zuvor ist ihr kleiner Bruder im selben Wald verschwunden – spurlos. Gibt es eine Verbindung? Was verschweigt ihre psychisch labile Mutter? Und warum schweigen so viele?

Eine junge, ehrgeizige Polizistin nimmt die Ermittlungen auf – und stößt auf eine Mauer aus Einfluss, Macht und alten Traumata.

Was diesen Roman für mich besonders gemacht hat, ist seine dichte, manchmal geradezu beklemmende Atmosphäre. Der Wald ist hier nicht nur Naturraum, sondern Symbol – für Verlorengehen, Angst, aber auch für verdrängte Wahrheiten. Moore zeichnet ihre Figuren feinfühlig und komplex: die depressive Mutter, die toughe Ermittlerin, die burschikose Campleiterin, Barbaras schüchterne Freundin – und natürlich Barbara selbst, rebellisch, klug, wütend.

Die Auflösung ist schlüssig, wenn auch nicht spektakulär. Wer genau liest, wird einige Hinweise schon früh erkennen. Aber darum geht es Moore auch nicht primär. Es geht um eine Familie, um weibliche Perspektiven in einer von Männern dominierten Welt, um verdrängte Geschichten und darum, wie sehr Vergangenheit Gegenwart formt.

Titel: Der Gott des Waldes
Autorin: Liz Moore
Verlag: C.H. Beck, 2025 (deutsche Übersetzung von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann)
Originaltitel: The God of the Woods (USA, 2024)

P.S.: Keine Werbung, keine Kooperation – nur meine ehrliche Meinung über ein Buch, das mich gefesselt hat.

Wenn englische Könige zum Brüllen komisch werden

Meiner Meinung nach gibt es keine spannendere Geschichte des Mittelalters als die der englischen Königsfamilie. Ja, ich gebe es offen zu: Ich beneide Rebecca Gablé ein wenig darum, dass sie mit ihren Waringham-Romanen das Leben und Leiden dieser illustren Persönlichkeiten über Jahrhunderte hinweg literarisch zum Leben erweckt hat. Die Faszination für Englands Monarchen scheint jedenfalls nie abzureißen – auch bei mir nicht.

Neulich fiel mir wieder ein Buch in die Hände, das sich diesem Thema widmet. Nach dem großartigen Powers and Thrones von Dan Jones (übrigens ebenfalls sehr lesenswert) habe ich nun Unruly von David Mitchell gelesen. Und was soll ich sagen: Ich musste mehrfach laut lachen. Und Lachen ist in diesen Zeiten ja durchaus eine unterschätzte Disziplin, oder?

Die englische Geschichte bietet mit ihren Königinnen und Königen jedenfalls eine Steilvorlage für humorvolle Betrachtungen: Viele dieser Herrscher waren inkompetent, ruchlos, größenwahnsinnig – oder gleich alles auf einmal. Ihre Entscheidungen wirken aus heutiger Sicht oft haarsträubend, aber im mittelalterlichen Weltbild galten Monarchen als gottgegeben, weshalb ihre Autorität kaum infrage gestellt wurde. David Mitchell konfrontiert dieses Missverhältnis zwischen Anspruch und Wirklichkeit mit treffendem, manchmal bösem, aber immer intelligentem Humor – und zieht dabei nicht selten Parallelen zur Gegenwart, die seine Darstellung noch bissiger machen. Wer die britische Kinderserie Horrible Histories mag, wird sich hier gut aufgehoben fühlen.

Das Buch beginnt mit den Stammbäumen der königlichen Familien, von den ersten angelsächsischen Königen bis zu Elisabeth I., der letzten Tudor-Herrscherin. Danach – so Mitchell – sei es zwecklos, die Monarchie mit demselben Blickwinkel zu betrachten, da sich die Rolle des Königs durch äußere Umstände fundamental gewandelt habe.

Wichtig: Mitchell ist kein ausgebildeter Historiker, sondern ein Comedian, der sich tief in die Materie eingearbeitet hat. Genau das macht sein Buch so unterhaltsam und zugänglich. Die Kapitel widmen sich jeweils einem gekrönten Haupt, schildern dessen Erwartungen, Aufstieg, Fall und Nachwirkung – eingebettet in die entscheidenden politischen und persönlichen Wendepunkte der Zeit. Die Auswahl ist klug getroffen: Wichtige Ereignisse wie der Hundertjährige Krieg oder die Rosenkriege werden gestreift, aber nie zu detailliert ausgeschlachtet. Stattdessen stehen immer wieder die menschlichen Schwächen im Zentrum – und genau das macht das Ganze so komisch wie erkenntnisreich.

Leider ist Unruly bislang nicht ins Deutsche übersetzt worden. Doch keine Sorge: Die Sprache ist gut verständlich und erfordert kein tiefes Vorwissen über britische Kultur oder Geschichte, um den Witz und die Zusammenhänge zu erfassen.

Fazit:
Man kann noch so viel über Englands Mittelalter wissen – dieses Buch ist eine unterhaltsame und kluge Ergänzung zu jedem Sachbuchregal. Trotz seines lockeren Tons vermittelt es jede Menge Wissen, und die abschließende Analyse der dynastischen Zusammenhänge ist überraschend pointiert. Definitiv eine gute Wahl für alle Fans des englischen Mittelalters.
Schade nur, dass es solche Bücher nicht auch für die deutsche Geschichte gibt.

Autor: David Mitchell
Titel: Unruly
Verlag: Penguin, 2023 (englische Ausgabe)

P.S.: Dies ist keine Werbung, sondern eine persönliche Buchbesprechung. Ich habe das Buch selbstverständlich selbst gekauft und erhalte keine Bezahlung für meine Meinung.

Ihr Lieben,

heute habe ich eine wunderbare Überraschung für euch! Gemeinsam mit der lieben Christina vom Büchertanz-Blog verlose ich drei Taschenbuch-Exemplare meines Romans „Der Trug des Pilgers“.

Falls ihr Lust habt, euch ins Mittelalter zu träumen, Intrigen zu entwirren und gefährlichen Geheimnissen auf die Spur zu kommen, ist das eure Chance!

„Der Trug des Pilgers“ entführt euch ins Pestjahr 1348, als ein geheimnisvoller Pilger behauptet, der totgeglaubte Markgraf Waldemar zu sein. Plötzlich steht mein Held Jakob mitten in einem Netz aus Machtspielen, Verrat und tödlichen Intrigen – und muss nicht nur um sein Leben, sondern auch um das Herz einer starken Frau kämpfen.

➡ Wie ihr mitmachen könnt?
Schaut unbedingt beim Büchertanz-Blog auf Instagram oder Facebook vorbei. Dort findet ihr alle Infos zum Gewinnspiel und wie ihr euch eines der drei Taschenbücher sichern könnt. Ich drücke euch ganz fest die Daumen!

Danke, dass ihr meine Geschichten begleitet – und viel Glück bei der Verlosung!

Herzlichst,

Eure Silke

Auch dieses Jahr war es wieder so weit: In der brandenburgischen Provinz wurde der beliebte und berühmte Putlitzer-Preis vergeben – natürlich nicht zu verwechseln mit einem ähnlich klingenden, weitaus weniger bekannten amerikanischen Literaturpreis.

Gesucht wurden die originellsten Kurzgeschichten zum Thema „Sollbruchstellen“. Rund 400 AutorInnen reichten ihre Texte ein – groß wie klein, bekannt oder noch unbekannt. Ich weiß das so genau, weil ich in der Vorjury saß und tatsächlich jede einzelne Geschichte gelesen habe.

Sechs Autorinnen und Autoren schafften es ins Finale und wurden vom veranstaltenden Verein, den 42er Autoren, nach Putlitz eingeladen – eine Stadt, die sich zwar Stadt nennen darf, aber mit ihrem kleinstädtischen Charme und großem Herz jedes Jahr aufs Neue bezaubert.

Für mich ist es das Highlight meines Schriftstellerjahres. Nicht nur wegen der wahnsinnig netten Mitstreiterinnen, sondern auch, weil Putlitz mit einer Herzlichkeit, die ihresgleichen sucht, diese Veranstaltung trägt. Das beginnt mit einem feierlichen Fanfarenkonzert, das die Finalistinnen in die Kirche begleitet, geht weiter mit SchülerInnen, die die Siegertexte auf wunderbar einfühlsame Weise vorlesen, und gipfelt in einer stets begeisternden musikalischen Begleitung.

Spargelsuppe, Schnittchen, eine Lesung in der Pfarrscheune, und für die ersten drei Plätze liebevoll getöpferte Gänse – alles ist mit einem Augenzwinkern, aber auch mit viel Liebe zum Detail organisiert. Zwischen Verein und Stadt hat sich über die Jahre eine enge und lebendige Verbindung entwickelt. Selbst der örtliche Adel lässt sich das Ereignis nicht entgehen.

Auch die FinalistInnen haben das gespürt. Mehrfach hörte ich, wie schön und stimmig die gesamte Veranstaltung für sie war: feierlich, herzlich und mit Humor.

Die diesjährigen FinalistInnen waren:

  • Anna Rotele
  • Caren Ohrhallinger
  • Sahra Buck
  • Thorsten Dörp
  • Christoph Hein
  • Özge Inan

Herzlichen Glückwunsch noch einmal an die verdienten SiegerInnen!

Hinter den Kulissen: Die 42er Autoren

Damit eine solche Veranstaltung so reibungslos gelingt, braucht es viel Engagement im Hintergrund. Der Verein 42er Autoren hat sich der Förderung von Literatur verschrieben – nicht nur durch Preise wie den Putlitzer, sondern auch durch kontinuierliche Textarbeit.

Eine besondere Perle verbirgt sich im vereinseigenen, ja: old-schooligen Internetforum:
https://forum2.42erautoren.de/forum/

Dort gibt es die sogenannte BT-Runde (Besprechungstexte), für die man sich separat anmelden muss. Wer einen eigenen Text einstellt, bekommt dort sachliches, ehrliches und professionelles Feedback – eine echte Schule des Schreibens, wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Das Beste daran: Alles geschieht in einem geschützten Raum, nichts dringt nach außen.

Ich kann jedem, der schreibt, nur empfehlen, dort einmal hineinzuschnuppern. Ich selbst habe lange still mitgelesen, bevor ich mich traute, einen eigenen Text einzustellen – und das erhaltene Feedback war ungemein hilfreich und aufschlussreich.

Natürlich freut sich der Verein auch über neue Mitglieder. Wer mitmachen möchte, reicht einen Text und ein kurzes Motivationsschreiben ein. Ich habe meinen Beitritt keinen Moment bereut – und bin dankbar für so viele spannende, talentierte und liebe Menschen, die, wie ich, das Schreiben lieben.

P.S.: Wer nächstes Jahr dabei sein möchte – der Wettbewerb ist offen für alle! Infos gibt’s zur gegebenen Zeit auf der Website der 42er Autoren: https://42er-autoren.de

In meinen vorherigen Blog-Posts habe ich mehrmals fallen lassen, dass ich gerne nach dem Save-the-Cat!‑Prinzip meine Bücher plane (oder es zumindest versuche). Im Folgenden möchte ich einmal erklären, was es eigentlich damit auf sich hat – und warum ich denke, dass dies ein unschlagbares Gerüst ist, mit dessen Hilfe man packende und unvergessliche Geschichten erschaffen kann.

Eins vorweg: Kein Autor ist dazu angehalten, sich an irgendwelche Plot-Gerüste oder Vorgaben zu halten. Ich kenne viele, die dies rigoros ablehnen und sich nicht in ein Korsett schnüren wollen, das ihnen ihrer künstlerischen Freiheit beraubt. Aber das ist ja gerade das Geniale an gut ausgeklügelten Plothilfen: Sie rauben einem gar nichts. Wenn richtig gemacht und verwendet, geben sie einem Autor maximale Freiheit und helfen gleichzeitig, die Auswüchse einer Geschichte im Zaum zu halten. Es gibt unzählige dieser Anleitungen, mal mehr, mal weniger streng, aber gerade die Save-the-Cat!‑Anleitung ist etwas, das mir persönlich besonders zusagt.

Warum überhaupt ein Schema, eine Struktur, ein Gerüst? Weil wir Menschen kulturell tief in gewissen Erzählstrukturen verankert sind. Das fängt bei der Bibel an, geht über orale Traditionen bis zum neuesten Spiegel-Bestseller. Wir erwarten einfach, dass bestimmte Bedingungen innerhalb einer Geschichte erfüllt werden, damit wir als Konsumenten ein befriedigendes Lese- oder Seherlebnis haben.

Der Ursprung von Save the Cat! stammt aus dem Drehbuchmilieu. Der amerikanische Drehbuchautor Blake Snyder veröffentlichte 2005 ein gleichnamiges Buch (Save the Cat! The Last Book on Screenwriting You’ll Ever Need), in dem er seine Beobachtungen aus Hollywood zu einem klar strukturierten, 15‑teiligen Beat Sheet zusammenfasste. Wer einmal einen Blick auf die Save the Cat!‑Webseite wirft, findet dort eine ganze Reihe von Filmanalysen, die die einzelnen „Beats“ innerhalb der Struktur verorten. Es wird also deutlich: Das System wird angewendet – und wo es angewendet wird, da wird es oftmals auch erwartet.

Wenn wir heute einen Film anschauen, dann erwarten wir, dass er einen Anfang hat, einen Mittelteil mit einer Art dramaturgischem Höhepunkt, und dann ein befriedigendes Ende. Es sei denn, wir sprechen von völlig abgehobener Kunst, die ihre eigenen Wege beschreitet – aber das ist etwas, das ich für meine Arbeit nicht beanspruche.

Die US-amerikanische Autorin Jessica Brody hat die Prinzipien des Drehbuchschreibens in ihrem Buch Save the Cat! Writes a Novel auf die Technik des Romanschreibens übertragen – und anhand zahlreicher Beispiele eindrucksvoll verdeutlicht. Dabei geht es um zwei wesentliche Komponenten: den Helden und die Geschichte selbst.

Der Held muss immer ein Problem haben – ansonsten hat er keinen Grund, der Held der Geschichte zu sein (wobei der Begriff Held natürlich nicht heroisch, sondern als Hauptfigur zu verstehen ist). Es geht also darum, was er glaubt, was er erreichen muss – und was es wirklich braucht, um dieses Ziel zu erreichen. Das sind zwei Paar Schuhe, die der Held erst im Laufe der Geschichte lernen wird, miteinander zu vereinen. Erst wenn er das erkennt (etwa zur Mitte der Geschichte), kann er das Problem wirklich angehen und sein Ziel auf richtige Weise verfolgen.

Die Geschichte selbst ist in die typische Drei-Akt-Struktur unterteilt, innerhalb derer bestimmte „Beats“ vordefiniert sind. Beats sind Wendepunkte oder Entwicklungsschritte, ohne die eine Geschichte nur schwer rund oder überzeugend wirkt. Jede Geschichte braucht zum Beispiel eine Einleitung, in der alle wesentlichen Bestandteile der Welt und der Figuren eingeführt werden – das ist Akt I.

Akt II ist dann der Mittelteil, im Wesentlichen das, worauf der Leser inhaltlich gewartet hat: die „umgedrehte Welt“, in der alles anders ist. Hier macht sich der Held auf den Weg, um sein Problem zu lösen – zunächst jedoch auf falschem Weg, weil er erst noch lernen muss, was es wirklich braucht, um erfolgreich zu sein. Erst nach dem sogenannten „Midpoint“ geschieht dieser Wandel. Danach tritt auch eine klare Gegenkraft auf den Plan – das kann ein klassischer Antagonist sein, aber auch ein innerer Konflikt oder eine feindliche Welt.

Dies kulminiert am Ende von Akt II mit einem Tiefpunkt, in dem alles verloren scheint – oft verbunden mit einem symbolischen oder tatsächlichen Tod. Der Held muss sich sammeln, neue Kraft schöpfen, und hat nun endlich verstanden, was es wirklich braucht, um sein Ziel zu erreichen. Dann beginnt Akt III, also das Finale – oft mit einer Rückkehr in die Welt des Anfangs, allerdings mit veränderten Voraussetzungen.

Auch das Finale ist wiederum fein säuberlich in Beats unterteilt, um sicherzustellen, dass der Plan des Helden nicht sofort aufgeht. Erst muss er eine letzte große Hürde überwinden – und dann kann die Geschichte zu einem befriedigenden Abschluss kommen.

Dieses Skelett ist unglaublich kraftvoll, weil es dem Leser die Möglichkeit gibt, anhand des Wandels der Hauptfigur etwas zu lernen – nicht nur über sie, sondern vielleicht auch über sich selbst.

Ich jedenfalls arbeite wahnsinnig gern mit diesem Schema und habe seit meinen Anfängen eine Menge darüber gelernt, wie man Heldenentwicklungen und Spannungskurven ausformuliert.

Save the Cat! von Jessica Brody ist derzeit nur auf Englisch erhältlich (im Gegensatz zur Drehbuchversion, die sich größtenteils mit dem von Brody deckt, aber die Beispiele anhand bekannter Romane vermissen lässt).

Wie sieht es mit euch aus? Nutzt ihr auch Save the Cat! oder ein anderes Plotsystem?

P.S.: Wer sich fragt, warum das Konzept so heißt, wie es heißt: Der Begriff stammt von einem Tipp Snyders, wie man einem Protagonisten früh im Film Sympathiepunkte geben kann – indem er zum Beispiel eine Katze rettet. Umgekehrt gilt: Wenn man einem Antagonisten möglichst unsympathisch machen will, lässt man ihn einer Katze (oder einem kleinen Hund, siehe Herzog Ernst in „Das Vermächtnis der Agnes Bernauer“) etwas antun.

Ich habe lange überlegt, ob ich an dieser Stelle meine Eindrücke von der Westminster Abbey teilen soll. Ich meine – ganz ehrlich –, wen interessiert das schon? Jeden Tag strömen Tausende durch dieses Wahrzeichen im Herzen Londons. Aber dann dachte ich: Vielleicht interessiert es ja doch den ein oder anderen – vor allem, weil ich als Autorin einen ganz besonderen Bezug zu diesem Ort habe. Dazu später mehr. Vorweg ein paar Tipps für alle, die einen Besuch planen.

Planung ist alles

Es lohnt sich, die Tickets vorab online zu buchen. Am Tag unseres Besuchs war das Areal rund um die Abtei so überfüllt, dass es eher an ein Musikfestival erinnerte als an ein Kirchenareal. Interessanterweise schien London an diesem Wochenende fest in italienischer Hand zu sein – zumindest, was Reisegruppen betrifft. Warum das so war? Keine Ahnung – aber wenn ihr eine Theorie habt, lasst es mich wissen! Dank unserer Tickets konnten wir jedoch schnurstracks an der irre langen Schlange vorbeispazieren, ein echt befreiendes Gefühl.

Die Eintrittskarten bekommt man auf der offiziellen Website der Westminster Abbey. Mit rund 30 Pfund pro Person ist das nicht gerade günstig – aber hey, es ist London. Und für alle, die sich für britische Geschichte und Kultur interessieren, ist der Preis absolut gerechtfertigt. Vorsicht: Die Kirche ist nicht immer für Besucher geöffnet, allein deshalb sollte man gut planen! Und noch etwas: Für nur 5 Pfund extra erhält man Zugang zur Queen’s Diamond Jubilee Galleries – eine lohnenswerte Investition, aber dazu später mehr.

Gräber, Grüfte und ganz viel Geschichte

Viele kommen wegen der berühmten Gräber – und ja, das ist wirklich beeindruckend. Die meisten Bereiche darf man frei durchstreifen, aber wer das Grab von Elisabeth I. sehen möchte, muss sich etwas gedulden. Sie ruht in einer kleinen Kapelle hinter dem Hochaltar, gemeinsam mit ihrer Halbschwester Maria I. Tudor – ein bemerkenswerter historischer Zufall, wenn man bedenkt, wie verfeindet sie zu Lebzeiten waren.

Mein persönlicher Gänsehautmoment: der Sarkophag von Heinrich V. – Leser:innen meines Romans Der Schwur der Gräfin wissen vielleicht, warum mich das so berührt hat. Natürlich ist meine Geschichte fiktiv, aber solche realen Orte zu sehen, gibt dem Ganzen eine ganz eigene Tiefe.

Poets’ Corner – Literatur zum Anfassen

Ein Highlight für mich: Poets’ Corner, wo viele große britische Literat:innen ihre letzte Ruhe gefunden haben – oder zumindest durch Gedenktafeln geehrt werden. Mein ganz persönlicher Crush: Lord Byron. „Mad, bad and dangerous to know“ – so beschrieb ihn eine Zeitgenossin. Und ja, in seiner Poesie liegt definitiv ein Hauch Sex-Appeal.

Auch Jane AustenLewis CarrollGeoffrey Chaucer (der erste, der hier beigesetzt wurde), Charles Dickens (ja, wirklich!) und natürlich Shakespeare sind hier vertreten – Letzterer zwar nicht mit Gebeinen, aber mit dem wohl prominentesten Denkmal des ganzen Areals. Alles in allem: eine literarische Pilgerstätte.

Ort der Krönungen

Die Westminster Abbey ist Krönungskirche der britischen Monarchie – zuletzt 2023, als Charles III. hier gekrönt wurde (Fun Fact: Als Australierin ist er auch mein König). Der berühmte Krönungsstuhl, auf dem seit dem 14. Jahrhundert alle englischen und später britischen Monarchen gekrönt wurden, ist zu sehen – allerdings hinter Glas.

Historische Details und stille Ecken

Als Abteikirche bietet die Abbey natürlich auch einen Kreuzgang. Wer genau hinschaut, entdeckt hier die älteste erhaltene Tür Großbritanniens – über 1.000 Jahre alt! Man stelle sich vor, wer da schon alles durchgegangen ist…

Besonders sehenswert: der Kapitelraum mit verblassten mittelalterlichen Wandmalereien und eindrucksvollen Bodenfliesen. Kriegsschäden und Zeit haben den Bildern zugesetzt – was sie für mich nur noch kostbarer macht.

Queen’s Jubilee Galleries – hoch hinaus!

Die Queen’s Diamond Jubilee Galleries liegen im oberen Kirchenschiff. Kleiner Tipp: Nehmt den Aufzug! Der Aufstieg über fünf Stockwerke war… sagen wir mal… sportlich.

Oben angekommen, wird man mit Ruhe, einem tollen Ausblick und faszinierenden Ausstellungsstücken belohnt: darunter mittelalterliche Handschriften, prunkvolle Reisetruhen und hölzerne Totenfiguren in Schlafpose – sogenannte „Effigies“. Besonders berührt hat mich die Darstellung von Catherine de Valois, Ehefrau Heinrichs V. Ich hatte das Gefühl, einer Figur aus meinem Roman ins Gesicht zu blicken. Vielleicht wurden diese Figuren angefertigt, um schnell ein Abbild des Verstorbenen zu erhalten, während die steinernen Porträts in Auftrag gegeben wurden – gesicherte Hinweise darauf habe ich leider nicht gefunden.

Fazit

Ein Besuch in der Westminster Abbey ist mehr als nur Sightseeing. Wer sich für Geschichte, Literatur oder royale Zeremonien interessiert – oder einfach ehrfürchtig staunen will –, ist hier genau richtig. Für Fans historischer Romane (zum Beispiel von Rebecca Gablé) ist der Ort pures Gold: Viele der hier beigesetzten Figuren kennt man wie alte Bekannte.
Ein Ort zum Staunen, Gedenken – und zum Geschichtenfinden.

Zum Abschluss noch ein Foto-Dump!

Als ich damals für „Die letzte Fehde an der Havel“ recherchierte, war ich fasziniert vom Stand der Kaufleute und Krämer. In den aufstrebenden Städten des Mittelalters erreichten sie mit ihrem Reichtum etwas, das dem Bürgertum bzw. dem dritten Stand bislang verschlossen geblieben war: Einfluss, Macht und Wohlstand. Man denke nur an die Fugger, die es mit den Großen der damaligen Welt aufnehmen konnten. Wenn wir heute durch eine vom Krieg größtenteils verschonte Innenstadt schlendern, dann sind es meist die Häuser der Kaufleute, die uns innehalten und staunen lassen. Drei, vier Stockwerke sind sie hoch, aufwändig verziert – ja, beinah protzig und zweifellos selbstbewusst.

Stralsund ist so eine Stadt, die vom Krieg relativ verschont geblieben ist. Dank ihres reichen Erbes an sogenannter Backsteingotik zählt sie zum UNESCO-Weltkulturerbe. Grund genug also, das Stadtmuseum aufzusuchen – nur leider war dieses während unseres Besuchs vor ein paar Wochen größtenteils geschlossen. Aber eines der Häuser war geöffnet: ein 700 Jahre altes Krämerhaus.

Man muss wissen, dass Krämer nicht gleich Kaufleute sind, auch wenn die Ausdrücke oft synonym verwendet werden. Ein Kaufmann war jemand, der mit Waren über weite Distanzen handelte, oft von Business zu Business. Ein Krämer hingegen verkaufte direkt an den Kunden und unterhielt zu diesem Zweck ein günstig gelegenes Haus – direkt am Markt oder nicht weit davon entfernt.

Nicht viel lässt erahnen, dass das Haus in der Mönchstraße 38 in Stralsund ein solches Alter auf dem Buckel hat. Das liegt vor allem daran, dass es zwei Vorbauten hat, in denen unter anderem ein Buchgeschäft angesiedelt ist. Aber wenn man dazwischen hindurchgeht, steht man plötzlich in einer Diele aus der Zeit des Barock. Eine Diele war eine Art Einfahrt, wo man be- und entladen konnte. Später kamen bei diesem Haus Einbauten hinzu, zum Beispiel ein Klosett (ja, genau, fürs andere „Geschäft“) und eine verglaste Kammer, die etwa als Logierzimmer gedient haben könnte.

Hier bekommt man zunächst ein, zwei kurze Filme gezeigt, denn dass das Haus nach all der Zeit (und der DDR) überhaupt noch steht, grenzt an ein Wunder – und ist vor allem einer sehr umsichtigen und aufwändigen Denkmalpflege zu verdanken. Hier erfährt man auch, dass das Haus zeitweise von bis zu sieben Parteien bewohnt war. Angesichts des baufälligen Zustands Ende der 1990er-Jahre ist das kaum vorstellbar.

Doch zurück ins Mittelalter: Wie wir bei unserem Besuch erfuhren, lebten die ersten Besitzer des Hauses nicht im Gebäude selbst, sondern in einem Anbau im Hof. Das ist umso erstaunlicher, wenn man sich die Größe des Hauses vor Augen hält: Hier konnten Waren auf ganzen sechs Etagen gelagert werden. So groß wirkt das Haus von außen gar nicht – aber das liegt daran, dass im Dachgeschoss die Stockwerkhöhe massiv nachlässt.

Das mittelalterliche Wohnhaus der Familie existiert heute nicht mehr (an seiner Stelle befinden sich nun ein Treppenhaus als Fluchtweg sowie die Sanitäranlagen), dafür kann man im Haupthaus sehen, wie die jeweilige Besitzerfamilie in der Biedermeierzeit gelebt hat – inklusive Schwarzküche, guter Stube, Arbeitszimmer und etlichen Lagen von Tapeten.

Darüber beginnt dann der Dachstuhl – ganze vier Etagen davon. Man muss sich als Besucher schon ein wenig trauen, die engen Stiegen hochzukraxeln, um ganz nach oben zu gelangen. Doch der Aufstieg lohnt sich: Das Haus verfügt bis heute in seinem Zentrum über einen mittelalterlichen Lastenkran, mit dem mittels eines verschließbaren Schachts Waren nach oben gehievt werden konnten.

Ein eindrucksvoller Zeitzeuge über die Jahrhunderte. Ich konnte natürlich nicht widerstehen und habe mir ein Büchlein mitgenommen, das die Geschichte, den Aufbau und die Restaurierung des Gebäudes näher beleuchtet.

Fazit: Für Mittelalterfans, die Stralsund (oder Rügen) besuchen, ein absolutes Muss.

Kindheit in der Hölle – Stephen Kings düstere Fantasie im „Institut“

Ich bin mit Stephen King großgeworden und habe als Pre-Teen so ziemlich alles verschlungen, was er bis dahin veröffentlicht hatte – inklusive der Bücher unter seinen Pseudonymen wie Richard Bachman. Seitdem sind gefühlt noch fünfzig weitere Romane hinzugekommen, da musste ich irgendwann einfach kapitulieren. Mein absoluter Lieblings-King bleibt Friedhof der Kuscheltiere – vor allem, weil die Geschichte so stimmig ist. Das ist bei King nicht selbstverständlich. Als Bauchschreiber, der offenbar lossprintet, sobald ihn eine Idee packt, ist er berüchtigt für schwächelnde Enden. Man denke an den esoterischen Abschluss von The Stand oder das zerfaserte Finale von Es. Trotzdem: Der Weg dorthin ist fast immer unterhaltsam.

Das Institut sprang mir ins Auge, weil ich es in Literaturkreisen immer wieder erwähnt fand – und zwar mit überraschend viel Lob. Ich war neugierig und stürzte mich ohne Klappentext ins Abenteuer. Kurz gesagt: Im titelgebenden Institut werden Kinder mit übernatürlichen Fähigkeiten wie Telekinese oder Telepathie festgehalten und für militärische Zwecke ausgebeutet. Die Methoden sind brutal, die Folgen verheerend – viele dieser Kinder enden als apathische Hüllen ihrer selbst. Jahrzehntelang bleibt das verborgen – bis ein neuer Junge eingewiesen wird: hochintelligent, mutig, und entschlossen, zu entkommen.

So weit, so King. Besonders spannend ist der Einstieg: Statt direkt ins Institut einzutauchen, begleitet man zunächst über etliche Kapitel einen Ex-Polizisten, der auf verschlungenen Pfaden in einer Kleinstadt landet und dort als Nachtwächter arbeitet. Erst danach erfolgt der abrupte Szenenwechsel zum Institut – ein erzählerischer Bruch, den sich vermutlich nur Stephen King leisten kann. Ich wüsste gern, wie viele Leser:innen das erste Kapitel beim zweiten Drittel des Buches bereits vergessen hatten. Vielleicht ist das genau so gewollt.

Im weiteren Verlauf verläuft alles recht erwartbar – was schade ist. Die Geschichte nimmt ihren typischen Lauf: Flucht, Widerstand, Explosionen, Opfer. Auch Figuren, die einem ans Herz gewachsen sind, überleben nicht. Trotzdem fehlten mir überraschende Wendungen oder erzählerische Risiken. Das Institut liest sich streckenweise wie ein Echo früherer Werke (FirestarterCarrieDie Arena) – solide, spannend, aber nicht bahnbrechend.

Und doch bleibt der Roman lesenswert. Vielleicht, weil King hier nochmal Kind sein wollte – oder zumindest nachfühlen, wie sich Kindheit in Extremsituationen anfühlen könnte. Inmitten von Gewalt, Überwachung und Manipulation steht das, was King oft am besten kann: eine düstere Coming-of-Age-Erzählung mit großem Herzen.

Fazit: Unterhaltsam, düster, typisch King – mit erzählerischen Längen und einem klaren Ende, das erfreulich rund ist. Kein Meisterwerk, aber ein solider Beitrag im King-Kanon.

Titel: Das Institut
Autor: Stephen King
Verlag: Heyne Verlag, 2019
Originaltitel: The Institute
Übersetzung: Bernhard Kleinschmidt

P.S.: Keine Werbung – ich teile einfach nur meine ehrliche Meinung.

Es gibt viele – mehr oder weniger gute – Gründe, Bücher zu schreiben. Die einen tun es aus Spaß an der Freud, die anderen, weil sie gelesen werden wollen (zu denen zähle ich mich), und wieder andere hoffen auf ein kleines, feines Nebeneinkommen. Und das sage ich ganz wertungsfrei: Wer möchte seine Zeit nicht mit etwas verbringen, das Freude macht und vielleicht auch ein bisschen Geld einbringt?

Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen: Ja, mit eBooks lässt sich Geld verdienen. Tatsächlich machen sie bei mir den Großteil der Einnahmen aus. Aber – und das ist mir wichtig – ganz so einfach, wie es manchmal klingt, ist es nicht.

Ein eBook schreibt sich nicht mal eben nebenbei. Wer einen ganzen Roman mit rund 300 Seiten schreiben will, muss Durchhaltevermögen, Struktur und eine ordentliche Portion Wahnsinn mitbringen. Denn anders als bei Kurzgeschichten reicht es hier nicht, eine nette Idee schön aufzuschreiben – ein Roman muss über viele Kapitel hinweg tragen, logisch aufgebaut sein, unterhalten, Emotionen wecken und dabei noch sprachlich rund bleiben. Natürlich kann man auch eine Sammlung von Kurzgeschichten veröffentlichen, aber meiner Erfahrung nach verkaufen sich durchgehende Romane deutlich besser.

Die Zeit, die in ein eBook fließt, ist also enorm – und die Lernkurve gefühlt endlos. Schreibhandwerk, Dramaturgie, Formatierung, Vermarktung … Man muss bereit sein, sich immer wieder in neue Themen reinzufuchsen. Wer sich darauf einlassen kann (und vielleicht ein kleines bisschen schreibverrückt ist), hat schon gute Karten.

Und ja, natürlich steht im Raum: „Aber KI kann das doch auch!“

Dazu nur so viel: Ich finde, Geschichten gehören in Menschenhand. KI darf gern den Abwasch machen oder die Steuer sortieren – aber das Erzählen, das Fühlen, das Aus-dem-Bauch-Schreiben … das lassen wir lieber bei uns Autor*innen, oder?

Was die Kosten betrifft: Ein eBook lässt sich mit etwas technischem Geschick auch mit kleinem Budget umsetzen. Wer will, kann viel Geld in Profis investieren – für Lektorat, Korrektorat, Buchsatz, Coverdesign. Aber Achtung: Der finanzielle Aufwand rechnet sich nicht immer sofort. Leser*innen honorieren leider nicht automatisch, wie viel Liebe und Sorgfalt in einem Buch steckt. Auch ich wünschte mir manchmal, Lektorate würden sich immer bezahlt machen – ich schätze ihre Arbeit sehr. Aber die Realität ist: Nicht jedes perfekt lektorierte Buch verkauft sich besser als ein unperfektes.

Technisch ist Selfpublishing heute übrigens so einfach wie nie. Plattformen wie Amazon KDP machen den Einstieg wirklich niedrigschwellig. Wer ein bisschen Geduld mitbringt und sich nicht vor Webformularen fürchtet, kann sein eBook in wenigen Stunden veröffentlichen. Und Hilfe gibt’s en masse – sei es in Schreibgruppen, auf Instagram oder zum Beispiel beim Selfpublisher-Verband.

Und wie sieht’s mit den Chancen aus? Der eBook-Markt wächst. Besonders in Genres wie Romance, Krimi, Fantasy und Thriller wird online ordentlich gelesen – oft sogar lieber digital als auf Papier. Laut Börsenverein lag der eBook-Anteil am Gesamtumsatz im Publikumsbuchmarkt zuletzt bei über 8 %, in bestimmten Nischen deutlich mehr. Im Selfpublishing ist das eBook ohnehin das stärkste Standbein – mit höheren Tantiemen (60–70 % bei Amazon) und größerer Flexibilität.

Mein Fazit: Ja, es lohnt sich – wenn man bereit ist, Zeit, Herzblut und ein bisschen Geld zu investieren. Wer sowieso schon gern liest und schreibt, wer Lust auf Geschichten, Themen und Figuren hat, die lebendig werden dürfen, für den ist das Selfpublishing ein großartiger Weg.

Aber wer glaubt, das gehe mal eben schnell oder ohne Mühe, dem sei gesagt: Schreiben ist ein Langstreckenlauf.
Ein schöner, lohnender – aber eben auch einer, bei dem man manchmal keuchend am Straßenrand sitzt und sich fragt, warum man sich das eigentlich antut. Und genau dann hilft nur eins: tief durchatmen, Kaffee nachgießen – und weiterschreiben.

Australische Abgründe: Wenn der Roadtrip zum Krimi wird

Hier kommt eine kleine Besprechung eines englischsprachigen Mystery-Romans, der besonders für Australien-Fans interessant sein dürfte. Ich habe das Buch als Hörbuch gehört – es war im Audible-Abo kostenlos enthalten, und genau das war der Grund, warum ich völlig unvorbereitet und ohne jede Erwartung eingestiegen bin. Zum Glück: Denn schon nach wenigen Minuten hatte mich die Prämisse gepackt.

Ein Autofahrer beobachtet in der australischen Wildnis – bei strömendem Regen und mitten in der Nacht – eine Frau, die mit einem kleinen Kind an der Hand in die Everglades rennt. Es sieht aus, als sei sie auf der Flucht. Er ruft die Polizei, doch die findet zunächst nichts. Erst später stößt man auf ein verlassenes Auto auf dem Parkplatz eines kleinen Einkaufszentrums. Die Tür steht trotz des Regens weit offen. Im Wagen: ein bewusstloses Teenager-Mädchen und eine Packung Insulin. Die Halterin des Wagens ist schnell ermittelt – sie ist die Frau, die in der Nacht gesichtet wurde. Es stellt sich heraus: Zwei weitere Kinder schlafen zu diesem Zeitpunkt allein in einem Wohnwagen. Zwei Schwestern. Ihre Mutter bleibt verschwunden.

20 Jahre später versucht die jüngste Tochter, Lily – damals etwa zwölf Jahre alt –, das Rätsel um das Verschwinden ihrer Mutter zu lösen. Ist sie tot? Wurde sie entführt? Hat sie ihre Kinder im Stich gelassen? Und welche Rolle spielen ihr Vater – und sogar ihre eigene Schwester?

Die Geschichte entfaltet sich wie ein Roadtrip durch das moderne Australien. Und genau das ist einer der großen Pluspunkte: Autorin Anni Taylor lebt an der Central Coast nördlich von Sydney und fängt Landschaft, Atmosphäre und die Veränderungen seit den 1990ern sehr gut ein. Besonders schön für alle Australien-Fans: die Route, die Lily auf ihrer Spurensuche zurücklegt, führt von Brisbane über Byron Bay und Sydney bis nach Tasmanien.

Allerdings gab es auch einige Momente, in denen ich innerlich abgewunken habe. Als die Schwestern zum Beispiel in Byron Bay – natürlich! – zufällig auf die Hemsworth-Brüder treffen (ja, genau diese Hemsworths), wurde es mir persönlich etwas zu viel. Weitere Enthüllungen rund um die Auflösung des Falls wirken dann leider ähnlich bemüht. Vieles ist schlicht unglaubwürdig – insbesondere, was die Vergangenheit der Schwester betrifft. Auch rechtliche und praktische Fragen (Stichwort: Kindesentführung, Visumsbestimmungen, australische Einwanderungsgesetze) bleiben sehr großzügig ignoriert. Dazu kommen kleine Alltagsfehler – etwa, dass eine Busfahrt nach Milsons Point in Sydney angeblich deutlich stressfreier sei als ins Stadtzentrum (was jeder, der dort einmal unterwegs war, vermutlich bezweifeln würde).

Fazit: Ein solider Mystery-Roman mit einer spannenden Grundidee und einer wunderbaren Kulisse. Wer sich gern literarisch entlang der australischen Ostküste treiben lässt, wird mit diesem Buch seine Freude haben – auch wenn die Auflösung nicht ganz überzeugen kann. Für zwischendurch und zum Träumen vom anderen Ende der Welt aber absolut geeignet.

Autorin: Anni Taylor
Titel: Birds in Flight (englische Ausgabe)
Verlag: Bookish Coast, 2023

P.S.: Wie immer keine Werbung – nur meine ehrliche Meinung. Das Hörbuch habe ich mir selbst zugelegt und nicht geschenkt bekommen.


NIE WIEDER ETWAS VERPASSEN

Abonnieren Sie jetzt den Newsletter für News, Deals & Gewinnaktionen!